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Kein Zugang zu gebärdensprachlichen Informationen und Kommunikation! Gehörlose Menschen - vergessene Bürgerinnen und Bürger?!

Das deutsche Infektionsschutzgesetz (IfSG) regelt seit dem 1. Januar 2001 die gesetzlichen Pflichten zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen. Zweck des Gesetzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern (§ 1 Abs. 1 IfSG). Dabei ist unerheblich, welcher Art die Infektion ist und auf welchem Wege die Infektion erfolgen kann. Wer zuständige Behörde ist, bestimmen in der Regel entsprechende Landesverordnungen. Die generelle Zuständigkeit liegt zunächst bei den Gesundheitsämtern, Belange der Gefahrenabwehr mitunter auch bei den örtlichen Ordnungsbehörden. Im Falle von Entschädigungen (siehe Abschnitt 12) auch die Versorgungsämter (§ 54 des Infektionsschutzgesetzes).

Gehörlose Menschen benutzen in der Regel die Deutsche Gebärdensprache (DGS) und die DGS wurde auf Bundesebene 2002 mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) als eigenständige Sprache anerkannt. Desweiteren hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in 2009 ratifiziert. Der Artikel 25 Gesundheit in UN-BRK besagt wie folgt, dass Vertragsstaaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung anerkennen. Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu geschlechtsspezifischen Gesundheitsdiensten, einschließlich gesundheitlicher Rehabilitation, haben.

Realität:
Gehörlosen Menschen ist bislang der Informationszugang verwehrt – sie können sich nicht über den aktuellen Stand zum Coronavirus informieren.

Es gibt sehr viele Informationen über das Coronavirus im Internet oder in Zeitungen, aber sie sind leider nur in schriftlicher Form verfügbar. Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration veröffentlicht auf seiner Homepage zum Beispiel viele Informationen zum Coronavirus, auch bekannt unter dem Namen Sars-CoV-2. Außerdem kann man dort auch Antworten auf häufig gestellte Fragen finden. Auch ist dort angeblich für gehörlose Menschen ideale Aufklärungsvideos vorhanden, die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stammen.

Gehörlose Menschen haben keinen Zugang zu diesen wichtigen Informationen. Denn all diese Informationen gibt es nicht in Deutscher Gebärdensprache. Nur die Stadt Hamburg hat ein Video in Deutsche Gebärdensprache zum Coronavirus herausgegeben.

In Deutschland ist es leider generell so, dass Regierungserklärungen im Fernsehen bzw. im Internet in Form von Videos nicht live mit Dolmetscher*innen für Deutsch und Deutsche Gebärdensprache übertragen werden. Diese mitunter lebenswichtigen Informationen sind also für gehörlose Menschen nicht zugänglich. Andere Länder haben längst begriffen, dass gehörlose Menschen auf Informationsweitergabe in Gebärdensprache angewiesen sind und gehen mit gutem Beispiel voran. In Österreich, Italien oder Finnland ist es zum Beispiel längst selbstverständlich, dass bei allen wichtigen Meldungen auch Dolmetscher*innen für Deutsch und Deutsche Gebärdensprache eingeblendet werden bzw. das vor Ort Präsenzdolmetscher*innen für Deutsch und Deutsche Gebärdensprache live übersetzen, sodass auch gehörlose Menschen diese Informationen komplett verstehen können.

Für besorgte Bürgerinnen und Bürger wurde in Sachsen-Anhalt eine Coronavirus-Hotline: 0391 - 2 56 42 22 eingerichtet.

Wie können gehörlose Bürgerinnen und Bürger diese Hotline nutzen, wenn sie nicht telefonieren können? Wie kann ein gehörloser Mensch im Fall eines Verdachtes seinen Hausarzt oder das Gesundheitsamt anrufen und nachfragen, was er tun muss? Telefonieren kann er nicht!

Damit werden gehörlose Bürgerinnen und Bürger in ihren verfassungs-gemäßen Rechten verletzt und diskriminiert!

Bei YouTube gibt es jetzt ein Protestvideo in Deutscher Gebärdensprache mit Untertitel und Vertonung, um auf dieses Informationsdefizit aufmerksam zu machen.

Zusammenfassend ist zu sagen:

Für gehörlose Menschen gibt es de facto fast keine – vor allem keine aktuellen -Informationen in Deutscher Gebärdensprache zum Coronavirus, die von offizieller Stelle - hier das Ministerium oder kommunale Ämter für Gesundheit stammen. Darüber hinaus gibt es keine Möglichkeit, wo gehörlose Menschen Rückfragen zum Sars-CoV-2/Corona-Virus in Deutscher Gebärdensprache stellen können.

Im Notfall gibt es kein geregeltes System, das Notfall-Dolmetscher*innen für Deutsch und Deutsche Gebärdensprache zur Verfügung stellt.

Der Gehörlosengemeinschaft Sachsen-Anhalt e.V. fordert deshalb dringend einen besseren und gleichwertigen Informationszugang für gehörlose Bürgerinnen und Bürger.

Denn auch gehörlose Bürgerinnen und Bürger müssen erfahren können, wie groß die Ansteckungsgefahr wirklich ist. Es muss sichergestellt werden, dass auch gehörlose Bürgerinnen und Bürger wissen, wie sie sich vor dem Coronavirus schützen können und was sie im Falle einer Ansteckung tun müssen. Nur so kann eine Panik unter der gehörlosen Bevölkerung verhindert werden.

Gehörlose Bürgerinnen und Bürger haben darüber hinaus das Recht darauf genau die gleichen Informationen zu erhalten wie hörende Menschen.

Es ist daher zwingend erforderlich folgende Maßnahmen umzusetzen:

  • Regierungserklärungen mit Live-Verdolmetschung in Deutsche Gebärdensprache mittels Präsenzdolmetscher*innen für Deutsch und Deutsche Gebärdensprache
  • Übersetzung von schriftlichen Inhalten in Form von Gebärdensprachvideos
  • Gehörlosen den Zugang zu der oben erwähnten Hotline ermöglichen, zum Beispiel mit einer extra dafür vorgesehenen E-Mail-Adresse oder Handynummer für kurze schriftliche Nachrichten
  • Unverzügliche Bereitstellung von Videotelefonie mit Notfall-Dolmetscher*innen für Deutsch und Deutsche Gebärdensprache
  • Sofortige Umsetzung von gängigen Vorschriften, Gesetzen, Aktionsplänen und Konventionen zur Barrierefreiheit für gehörlose Bürger und Bürgerinnen

Der Gehörlosengemeinschaft Sachsen-Anhalt e.V. empfiehlt dringend, dass bei der Entwicklung von Konzepten für Krisensituationen bzw. auch beim Errichten eines Krisenstabes gehörlose Menschen als Experten in eigener Sache hinzugezogen werden, denn nur so kann sichergestellt werden, dass die erarbeiteten Maßnahmen auch für diesen Personenkreis zugänglich ist.

Was ist die Deutsche Gebärdensprache?

Die Gebärdensprache ist eine eigenständige, visuell wahrnehmbare, natürliche Sprache, die auch als vollwertige Sprache gesetzlich anerkannt ist. Gehörlose Menschen verwenden sie zur Kommunikation.

Warum sind Informationen in Gebärdensprache wichtig?

Für die gehörlosen Menschen ist die Deutsche Gebärdensprache ihre Muttersprache. Denn durch diese visuelle Sprache können gehörlose Menschen sich verständigen und Inhalte in Gänze verstehen. Da sich die gesprochene Sprache über das Gehör entwickelt, entsteht bei hörenden Menschen ein Sprachverständnis für die gesprochene Sprache und somit Sprachkompetenz für die Deutsche Laut- und Schriftsprache. Dieses Sprachverständnis zu entwickeln ist für gehörlose Menschen keine Selbstverständlichkeit und es gelingt nur einem Bruchteil von ihnen, denn die deutsche Sprache wird von ihnen nicht nebenbei durch das Hören gelernt, sondern muss als eine Zweitsprache erlernt werden. So können gehörlose Menschen auch Texte in Deutscher Schriftsprache in der Regel nicht in vollem Umfang erfassen, da Deutsch für sie eine Fremdsprache bleibt. Daher sind Informationen in Deutscher Gebärdensprache (DGS) für gehörlose Menschen zwingend erforderlich, um ihnen einen barrierefreien Zugang zu diesen Informationen zu ermöglichen und sicherzustellen, dass sie den Text in Gänze erfassen können.

Pressemitteilung zu Coronavirus Epidemie (PDF)

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